Am 8. August 2015 konnten wir den kleinen Cendo bei Familie Wennemann in Verl abholen. Zu diesem Zeitpunkt waren schon 6 seiner Geschwister in die Obhut fürsorglicher Menschen übergeben worden. Da solch ein Tag des Abschieds und Neuanfangs aus der Sicht der Menschen nicht so spannend ist, haben wir das Gedankenlesen versucht und schreiben nun Cendos Sicht der Dinge nieder.
Hallo, mein Name ist Cendo, zumindest sprechen die Menschen in meiner Gegenwart oft dieses Wort aus und schauen mich dabei liebevoll an. Ich glaube also, dass dies mein Name ist. In einigen Wochen werde ich mir bestimmt sicher sein, aber vorerst reagiere ich lieber mal nicht sofort, wenn das Wort ausgeprochen wird.
An dem Tag, an dem wir – ehemals 10 Jungs und Mädels – nur noch zu viert waren, beginnt meine Geschichte. In den Tagen zuvor kamen immer wieder fremde Menschen und nahmen den ein oder anderen Welpen aus unserem lustigen Rudel mit. Nun war es Samstag 10:30 Uhr und ein grauer Audi fuhr in unsere Einfahrt. Uropa Flax, Oma Ajoula und meine Mama Brezel machten sofort lautstark darauf aufmerksam, dass sich Besuch ankündigte. Ich war nun etwas nervös. War der Besuch etwa für mich? Auf dem Tisch hatte meine Ziehmama Birgit eine Tüte und allerlei Unterlagen bereitgelegt.
Als der Besuch das Haus betrat, begann ich mich zu erinnern. Die Frau kam mir bekannt vor. Ich bin mal auf ihrem Bein eingeschlafen. Da war ich aber noch viel kleiner, als jetzt. ich glaube sie heißt Bianca. Und die Zehen des Mannes erkannte ich auch sofort wieder. Da habe ich mal herzhaft hineingebissen. Ich glaube, das tat ihm etwas weh. „Ups…“ dachte ich mir, „ob er mich noch gern hat?“ Sein Name war wohl Tobias!?
Da war auch noch ein dritter Mann mit einem gelben T-Shirt dabei. Wir dachten erst, es sei der Postbote und haben ihn aus Leibeskräften angebellt. Leider lagen wir falsch, denn er ist Zahnarzt und der Bruder des Mannes mit den leckeren Zehen.
So lange die Frau mit meiner Ziehmama sprach, war der Zehen-Mann mit seinem Bruder draußen. Sie räumten am Auto eine Box um, stellten sie auf die Rücksitzbank und legten Decken und ein Kuscheltier hinein. Das sah gemütlich aus.
Ich tollte derweil mit meinen drei verbliebenen Geschwistern herum. Meine Ziehmama erklärte der Frau alles mögliche. Dann durfte ich hinaus in den Garten, machte mein Geschäft und so langsam ahnte ich wohl, dass ich nun der nächste sein werde, der mit seinem kleinen Koffer in die weite Welt hinausziehen wird. Ahnen und realisieren sind aber unterschiedliche Dinge, wie ich schnell feststellen sollte.
Ziehmama Birgit nahm mich noch einmal in die Arme, übergab mich dann an Bianca und ging mit uns und Mama Brezel nach draußen. Dort wurde noch ein Foto geschossen und eh ich mich versah, saß ich mit den neuen Menschen im Auto. Wir fuhren langsam los und jetzt realisierte ich langsam, dass die Ahnung Wirklichkeit geworden ist. Wie es sich für einen anständigen Hund gehört, machte ich deutlich, dass mir das gar nicht so gefällt. Jaulen kann ich gut und so sorgte ich für einen ordentlichen Schallpegel im Auto. Sollen sie mal hören, was sie davon haben, einen kleinen Hund mitzunehmen.
Mein Protest hielt aber nicht lange an, denn Bianca kümmerte sich rührend um mich. So gewöhnte ich mich relativ schnell an diese neue Situation. Ich jaulte nur noch, wenn ich lieber im Auto herumgehüpft wäre, als im Körbchen zu liegen und Bianca mir das untersagt hat.
Nach kurzer Zeit hielten wir an einem Parkplatz. Dort bekam ich etwas zu trinken und schaute mir vorsichtig das Treiben an. Die Pause tat gut, denn Autofahren macht bekanntlich seekrank. Mich hat es dann aber doch nicht erwischt, weil ich lieber aus dem Fenster geschaut habe, als zu schlafen.
Die nächste Station hatten wir dann bei ganz lieben Menschen. Das waren die Eltern des Zehen-Mannes und des Postboten mit Zahnarztausbildung. Die hatten einen großen Garten und da wars viel wärmer, als bei uns daheim. Dort konnte ich Erkundungen anstellen, mein Geschäft verrichten, frei herumlaufen und an einem schattigen Platz etwas schlafen. Ich glaube, da werde ich häufiger mal vorbeischauen. Bevor ich das frei Herumlaufen genießen konnte, stand noch eine kurze Trainingssession mit der Laufleine an, die ich problemlos gemeistert habe. Wie es sich für einen guten Hund gehört, bin ich immer schön um Tisch- und Stuhlbeine herum gewuselt!
Die letzte Etappe im Auto war noch einmal rund 1 Stunde lang. Da mir der schattige Platz gut gefallen hatte, protestierte ich im Auto wieder, aber nur ganz kurz, wusste ich doch, dass mich Bianca trösten würde.
Die nächste Station war dann mein neuen Zuhause. Dort gings ab in den Garten und zur Grundstückserkundung. Puh, warm war es gestern hier, es gab aber genügend Schatten. Nun durfte ich mit in die Wohnung. In der Wohnung war es angenehm kühl. Da standen zwei Näpfe mit Futter und Wasser. „Ob die wohl für mich sind?“, fragte ich mich. Bianca zeigte mir die Näpfe. Damit war klar, dass diese Bar ab heute mir gehört. Wirklich Hunger hatte ich aber nicht. Zu viele neue Eindrücke sorgten dafür, dass ich nur wenige Bissen aß. Eine kuschelige Schlafecke sah ich auch, die ich kurz mal ausprobierte. Dann erkundete ich die Wohnung, spielte mit einem Ball und als Bianca und der Zehen-Mann etwas ruhiger wurden, suchte ich mir eine kühle Stelle unter einem Stuhl und schlief tief und fest ein.
Nach rund einer Stunde wachte ich wieder auf. Die beiden waren noch da und hatten sich etwas gekocht. Ich bekam auch Appetit und ging an meinen Napf, in dem zum Glück noch ein wenig drin war.
Nachdem die Großen fertig waren, montierte der Zehen-Mann eine Art Gitter in der Wohnungstür. Das musste ich mir genauer ansehen und eilte ihm zu Hilfe. Der Schraubenschlüssel und ein Stift lagen da. Die Sachen sahen sehr wichtig aus und so schleppte ich beide davon. Kann man später vielleicht mal gebrauchen!? Der Schraubenschlüssel war wirklich sehr wichtig, denn der Zehen-Mann holte ihn sich recht schnell wieder. Das Gitter ist toll. Es schützt mich davor, übermütig zu werden und die Treppe hinunter zu stürmen. Toll gemacht, Zehen-Mann. Ich glaube, ich nenne Dich ab jetzt doch lieber Tobias.
Bianca musste noch ein paar Handgriffe erledigen, bevor wir in den Garten konnten und so schlich ich mich an Tobias heran und biss ihm in den großen Zeh. Der Zeh schmeckte genauso, wie damals. Das muss er also sein. Ich hatte somit Gewissheit.
Der Abend war immer noch warm und hell und so konnte ich in Ruhe weitere Ecken erkunden. Ich lernte dann auch Biancas Eltern kennen, die gerade etwas Gartenarbeit verrichteten. Sie begrüßten mich und nahmen mich herzlich auf. Somit kannte ich fast alle Menschen aus dem neuen Rudel. Die nächste Zeit erkundete ich die Gegend und ruhte mich aus, natürlich immer direkt neben meinem Wassernapf auf kühlerem Untergrund im Schatten. „So lässt es sich leben“, dachte ich mir. „Alle sind so lieb zu mir…“
Hallo süßer Cendo, toll das du die Fahrt so gut gemeistert hast. Du fehlst uns sehr, es tut aber sehr gut dich so glücklich in deinem neuen Rudel zu sehen ♥ Bis ganz bald, liebe Grüße aus deiner alten Heimat vom ganzen Flawenjupé-Rudel